Gute Chefs wirken auf gute Mitarbeiter wie Magneten – Was ist Führungskompetenz?

In Krisen und Umbruchzeiten braucht man diese „guten Chefs“, die wie „Leuchttürme“ aus dem Chaos ragen und den Mitarbeitern Orientierung und Sicherheit geben. Im Gegensatz dazu führt schlechte Führung dazu, dass Rückzugs- oder Entfaltungsräume für „schlechte“* Mitarbeiter entstehen. Leistungsträger fühlen sich dann umso unwohler und springen ab, sobald sich eine neue Job-Möglichkeit bietet.

Erfolgsfaktor Führung

In meinen fast 20 Jahren als Personalberater habe ich gelernt: die letztendlich entscheidenden Gründe für Wechselwilligkeit sind nicht die Höhe des Gehaltes, die Arbeitgebermarke, auch nicht der Erfolg des Unternehmens und schon gar nicht die zahlreichen Add Ons von der Frischobstschale bis hin zur gratis Mitgliedschaft im Fitnessstudio. Mitarbeiter und Führungskräfte suchen insbesondere dann eine neue Stelle und sind dann zur Kündigung bereit, wenn sie sich ungerecht behandelt, überfordert, ausgenutzt oder übergangen fühlen und keine Wertschätzung erfahren. Neben einem schlechten Betriebsklima, institutionellen Einschränkungen und organisatorischen Missständen spielt das Mikroklima am Arbeitsplatz also eine entscheidende Rolle. Dieses wird zum einen durch das Verhältnis zu Kollegen, Kunden, Lieferanten geprägt. Zum anderen bestimmen die „Vorgesetzten“, genauer gesagt deren vorhandene oder nicht vorhandene menschliche Qualität in Verbindung mit Führungskompetenz die „arbeitsplatzklimatische“ Qualität.

Die Qualität der unmittelbaren operativen Menschenführung entscheidet also wesentlicher darüber, ob im sozialen System Unternehmen eine Kultur des guten Miteinanders guter Mitarbeiter entstehen und bestehen kann. Hierzu gehört dann auch, dass das „Immunsystem“ des Unternehmens funktioniert und schlechte Leute tendenziell „ausscheidet“. Natürlich stellen sich die Bewerber für eine interessante Führungsposition bei der Suche und im Auswahlprozess immer als brillante Leader dar und beten alle modernen und positiv besetzten Leadership Grundsätze herunter. In der Praxis sieht es dann manchmal ganz anders aus oder der Typus passt nicht zum Unternehmen. Es stellen sich bei der Suche und Auswahl von Führungskräften also folgende Fragen:

Was macht den „guten Chef aus? Welche besonderen Führungsqualitäten sind aktuell gefordert? Wie erkennt man, ob diese „gute Führungskraft“ zur spezifischen Position und in das eigene Unternehmen passt?

Wie erkennt man gute Chefs? Ein Frageprozess in fünf Schritten

Bei der Beantwortung dieser Frage rate ich zu folgerndem schrittweisen Vorgehen:

1)      Führung erfordert neben der operative Mitarbeiterführung natürlich auch Leistungen im „Führungsmanagement“, in der organisatorischen Leitung, in der institutionellen Gestaltung, der technischen und methodischen Umsetzung sowie in der täglichen „Tretmühle der Entscheidungsfindung“. Entscheidungen darüber zu fällen, welche Zielrichtung eingeschlagen wird, und dann gemeinsam einen Weg, eine Bewegung hin zum Ziel zu initiieren und zu begleiten. Man kann seine Mannschaft auch operativ gut in den Abgrund und ins Verderben führen. Deswegen nützt eine gute operative Menschenführung alleine nichts, wenn die übrigen Entscheidungs- und Leitungskompetenzen nicht vorhanden sind. Trennen Sie deswegen systematisch die Frage nach der zu definierenden und zu prüfenden Leitungs- und Entscheidungskompetenz systematisch von der Frage und Überprüfung der Befähigung zur Menschenführung im engeren Sinne.

2)      Bitte lösen Sie sich davon, am Anfang allgemeine Ideal-Eigenschaften festzulegen, die der oder die Betreffende laut der zahlreich vorhandenen „Kompetenz-Modelle für Führung“ erfüllen soll. Lassen Sie zunächst auch einmal all die aktuell grassierenden theoretischen Konstrukte rund um „New Work Competences“ außen vor.

3)      Begeben Sie sich auf die Ebene des Berufsalltages, hinein in die Welt der konkreten Praxis und gehen Sie folgender Kernfrage nach:

Welche Bedingungen müssen im Einzelnen vorhanden sein, damit die Mitarbeiter der betreffenden Organisationseinheit ungestört, kreativ, hocheffizient und gut gelaunt arbeiten können?

4)      Die neue Führungskraft muss in der Lage sein, genau dieses Arbeitsumfeld erstens zu entwickeln und zweitens dynamisch anzupassen, wenn sich die Anforderungen in Zukunft ändern.  Die weiterführende Frage lautet dann also: Welche ganz konkreten Impulse – kommunikativ, organisatorisch, emotional – muß die Führungskraft zu setzen in der Lage sein, damit das Team seine volle Leistungsfähigkeit erbringen und die gemeinsamen Ziele am besten und mit Freude erreichen kann?

5)      Auf dieser Grundlage kann die Frage nach den notwendigen Charaktereigenschaften, dem Führungsstil, den fachlichen und persönlichen, operativen und strategischen Handlungs- und Entscheidungskompetenzen spezifisch und ganz konkret beantwortet werden.

Fazit:

Ein gutes Arbeitsklima, in dem Effektivität und Leistungsbereitschaft herrschen, kann man nicht „auf Knopfdruck“ herstellen. Es kann unter bestimmten Voraussetzungen, muß aber nicht zwangsläufig erfolgen – so wie der Erfolg generell. Dieses Erfolgen zu begünstigen und wirksam zu begleiten, genau das ist Führungskompetenz. Die hierzu notwendigen und begünstigenden Methoden, Umgangsformen, Kommunikationsstile und organisatorischen Rahmenbedingungen sind immer kontextbezogen und unterscheiden sich je nach Anwendungsgebiet, Situation und kultureller Prägung der Betroffenen beträchtlich. Es macht eben einen Unterschied, ob man zum Beispiel Großbaustellen im Tiefbau führt oder ob es um die Leitung von kreativen Teams in einer Hippster-Agentur geht. Die Beantwortung der allgemeinen Frage „Was ist ein guter Chef?“, lautet also: „Es kommt darauf an!“ Der Kontext entscheidet.

©Dr. Romano Grohmann

* Dem Autor ist bewußt, dass der Begriff „schlechte Mitarbeiter“ zwar theoretisch anwendbar ist, weil er in einem Wort umreißt was gemeint ist: faule, unehrliche, illoyale, unkollegiale, intrigante, inkompetente und unwillige. In der Praxis ist die Festlegung schwierig, weil der Schlechte ist immer der andere und manche Mitarbeiter, die sich in einem unpassenden Arbeitsumfeld befinden, erscheinen vor dem Hintergrund desselben zwangsläufig als „schlecht“ oder werden so definiert, obwohl „der Fisch an einer ganz anderen Stelle stinkt“.

Ich hoffe, dass diese Tipps nützlich für Sie waren und wünsche Ihnen viel Erfolg auf Ihrem Weg. Über  Anregungen und Kommentare freue ich mich unter grohmann@grohmannexecutive.com zusenden. Vielen Dank!

Alle Rechte beim Autor – Dr. Romano Grohmann©

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