Auch ohne Pandemie ist es nicht trivial, welche Fragen in Bewerbungsgesprächen mit dem Anspruch auf eine wahrheitsgemäße Beantwortung gestellt werden dürfen. Aber gerade unter „Corona-Bedingungen“ sollten bestimmte Themen unabhängig von der rechtlichen Einordnung im gegenseitigen Kennenlernen angesprochen werden, da von der Beantwortung dieser Fragen die Auswahlentscheidungen sowohl des Unternehmens, als auch des Bewerbers maßgeblich abhängen können.
Klug fragen können, ist die halbe Weisheit (Francis Bacon)
Mit den Fragen, die in Vorstellungsgesprächen erlaubt oder nicht zulässig, unangemessen oder klug sind, ist es so eine Sache. Fragen zu Alter, Geschlecht, Herkunft, Familienstand, Schwangerschaft, Religion, Weltanschauung, Vermögenverhältnissen, Vorstrafen, Behinderung und sexueller Orientierung, um nur einige zu nennen, sind unzulässig und von Seiten des Bewerbers in den meisten Fällen weder generell, noch wahrheitsgemäß offenbarungspflichtig. Das heißt, bei einer Falschaussage entsteht kein Schadensersatzanspruch des Unternehmens, wenn im Glauben an die Richtigkeit der Aussagen eine Einstellung erfolgt. Darüber hinaus lassen derartige Fragen auf eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung und Diskriminierung schließen mit all den hieraus laut Allgemeinem Gleichbehandlungsgesetz möglichen Folgen.
Keine Regel ohne Ausnahme
Rein rechtlich und theoretisch gesehen mag es wohl so „antidiskriminierend“ geplant sein. In der realen Praxis sieht das dagegen ganz anders aus. Nach dem Alter braucht man natürlich erst gar nicht fragen, weil es in der Regel anhand der Bewerbungsunterlagen ersichtlich ist. Das Geschlecht ist bei den allermeisten Bewerbern*innen äußerlich erkennbar. Stellen Sie sich vor, ein Personalleiter würde alle Bewerber im Job-Interview fragen: “Welches Geschlecht haben Sie denn?“ Die Reaktion hierauf wäre sicherlich in den überwiegenden Fällen, die Gegenfrage, ob der Interviewende noch alle Tassen im Schrank hat. Und natürlich gibt es viele Ausnahmefälle, in denen sehr wohl entsprechende Fragen legitim sind, die eine Ungleichbehandlung implizieren. Wenn eine mit den Anforderungen am Arbeitsplatz verbundene Notwendigkeit und damit ein berechtigtes Interesse besteht, sind diese Ausnahmen zulässig. So sind beispielsweise Fragen nach der Religionszugehörigkeit in bestimmten Funktionen bei einem kirchlichen Arbeitgeber, Fragen nach einer Schwangerschaft bei einer Stelle zur Schwangerschaftsvertretung, Fragen nach Vorstrafen bei Anstellung in einem Geldtransportunternehmen, um nur einige zu nennen, durchaus erlaubt und müssen wahrheitsgemäß beantwortet werden.
Corona und Offenbarungspflicht
Bestimmte Angaben sind von Bewerberseite auch offenbarungspflichtig, ohne dass der Arbeitgeber danach fragen muss: z.B. eine ansteckende Krankheit, sofern eine Gefährdung der Kollegen vorliegt. Und hier sind wir auch schon bei dem aktuell alles beherrschenden Thema Corona / Covid19. Hier werden die Schutzmechanismen des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes und entsprechende Regelungen zur Antidiskriminierung soweit sie das Bewerbungsgespräch betreffen, u.a. durch das Infektionsschutzgesetz und die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers eingeschränkt.
Sind vor diesem Hintergrund folgende Fragen zulässig?
- Waren Sie in den letzten 14 Tagen in einem COVID-19 Risikogebiet?
- Hatten Sie in den letzten 14 Tagen Kontakt zu Menschen, die in einem COVID-19 Risikogebiet waren?
- Hatten Sie in den letzten 14 Tagen Kontakt zu Menschen, die positiv auf COVID-19 getestet wurden?
- Haben Sie grippeähnliche Symptome, wie z.B. Fieber, Husten, Halsschmerzen etc.?
- Sind Sie dazu bereit, sich einem Corona-Schnelltest oder einen PCR-Test zu unterziehen?
All diese Fragen sind zulässig und müssen wahrheitsgemäß beantwortet werden. Hier hat das allgemeine Interesse des Unternehmens Vorrang gegenüber dem persönlichen Interesse des Einzelnen, diese Frage nicht oder unrichtig zu beantworten. Gleiches gilt i.d.R. für eine überstandene Corona Erkrankung (mit ggfs. noch bestehenden Folgewirkungen), ABER nur dann, wenn die Nachwirkungen von Corona (z.B. schlechtes Hörvermögen) einen Bezug zu der offenen Stelle ausweisen.
- Haben Sie in den letzten 14 Tagen einen Corona-Schnelltest oder einen PCR-Test absolviert und wie ist Ihr Testergebnis?
Ob diese Frage mit dem Anspruch auf wahrheitsgemäße Antwort gestellt werden kann, erscheint mir fraglich. Ob das ein Jurist eindeutig beantworten kann, bezweifle ich jedoch. Fragen nach der Impfbereitschaft sind unzulässig, solange keine allgemeine Impfpflicht besteht.
Thema Corona offen angehen
Doch unabhängig von der rechtlichen Beurteilung, die auch nicht in jedem Falle eindeutig ausfallen kann, sollten beide Seiten das Thema Corona im Dialog offen und konstruktiv pragmatisch angehen. So hat der Bewerber ein berechtigtes Interesse daran zu erfahren, welche Schutzmaßnahmen und Regelungen sein potenzieller Arbeitgeber allgemein und konkret für seinen zukünftigen Arbeitsplatz anwendet. Bewerber können und sollten nachfragen, welche Test- und ggf. Impfmöglichkeiten bestehen und welche Vorgehensweisen bei einer Erkrankung oder einem positiven Testergebnis vorgesehen sind. Der praktische Umgang mit dem Thema Corona, die bestehenden Vorgaben, aber auch die persönliche Haltung zur Thematik sollten im gegenseitigen Interesse des Informationsaustausches stehen.
Corona und Führungskräfte
Die Einhaltung der aktuellen gesetzlichen Regelungen ist für ein Unternehmen extrem wichtig, da der Geschäftsbetrieb hiervon abhängt und das Unternehmen bei schuldhaften Verstößen für entstehende Schäden haftbar gemacht werden kann. Es ist deswegen gerade, wenn es um Führungskräfte geht, wichtig zu wissen, wie der oder die Betreffende es mit der konsequenten Umsetzung der gesetzlichen Regelungen und Vorgaben hält.
Diese „Gesetzestreue in der Umsetzung“ muss eingefordert werden und hat nichts damit zu tun, ob jemand die Gesetze inhaltlich für gerechtfertigt hält oder nicht. Und es interessiert hierbei grundsätzlich nicht, ob jemand die aktuelle Coronakrise als größte Bedrohung für die oder als größten Betrug an der Menschheit einschätzt.
Corona und Betriebsklima
Dementsprechend sollte auch das Thema „politische“ Zurückhaltung im Bewerbungsgespräch thematisiert und nachgefragt werden. Denn hierdurch ist das Interesse eines jedes Unternehmens betroffen, den Betriebsfrieden zu wahren und ein gutes Betriebsklima aufrecht zu erhalten. Wenn Familien, Freundschaften und die Gesellschaft zunehmend gespalten sind, weil die Diskussionen um Corona äußerst emotional, diffamierend und extrem konträr geführt werden, so müssen diese Konflikte nicht auch noch am Arbeitsplatz und im Unternehmen ausgetragen werden. Vielleicht gelingt es ja, die Unternehmenswelt und die darin enthaltenen sozialen Systeme wenigstens ein Stückchen weit als „rational geprägte Schonräume einer höheren gegenseitigen Toleranz“ zu etablieren. Auch wenn es gesamtgesellschaftlich in der Diskussion eher unversöhnlich zugeht.
©Dr. Romano Grohmann
Ich hoffe, dass diese Tipps nützlich für Sie waren und wünsche Ihnen viel Erfolg auf Ihrem Weg. Über Anregungen und Kommentare freue ich mich unter grohmann@grohmannexecutive.com zusenden. Vielen Dank!
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