Direktansprache, Active Sourcing, Direct Search – unter den Vorzeichen des Fachkräftemangels werden diese Methoden der Personalsuche als die Rettung angepriesen. Doch Vorsicht – hier werden oftmals Äpfel mit Birnen verglichen. Es gibt unterschiedliche Formen der Direktansprache mit je eigenen Vor- und Nachteilen.
Direktansprache im ursprünglichen Sinne
Erinnern Sie sich noch an die Zeiten als im Anzeigenteil der großen Tages- und Wochenzeitungen seitenweise riesengroße Stellenanzeigen zu finden waren? Unternehmen und Personalberatungen waren darauf angewiesen, ihre Stellenangebote für Spezialisten und Führungskräfte als Printanzeige zu schalten, wobei deren Größe und Aufmachung das Niveau der Stelle abbildete. Neben diesen Printanzeigen, dem klassischen Bewerbermarketing also, und den hausinternen Bewerberkarteien und -dateien war die Direktansprache damals die einzige Form der aktiven Bewerbergewinnung. Unter Direktansprache und Headhunting verstand man die direkte Suche und Kontaktaufnahme mit vorher unbekannten Arbeitnehmern anderer Unternehmen zum Zwecke der Abwerbung, zumeist über das Telefon und in einer umfassenden Aktion und systematischen Vorgehensweise.
Social Media und Active Sourcing
Durch die fortschreitende Ausbreitung des Internets, die Digitalisierung und mit dem Einzug von Social Media und Co haben sich in den letzten Jahrzehnten für interne und externe Recruiter die Möglichkeiten, aktiv mit potenziellen Bewerbern in Kontakt zu kommen, enorm verbreitert und vereinfacht. Vor diesem Hintergrund wurde der Begriff des „Active Sourcings“ populär, der quasi alle Anstrengungen umfasst, durch die Bewerber aktiv von Stellenanbietern angesprochen werden können. Insbesondere die leicht zugänglichen Plattformen Xing und LinkedIn stehen hier im Fokus. Es ergab sich also gegenüber dem usprünglichen Bedeutungsinhalt eine Erweiterung des Begriffs „Direktansprache“. Ein Personalberater reaktiviert zwei Altbewerber aus seiner Datenbank, ein Personalleiter schreibt über Xing ein paar qualifizierte Personen an, ein Manager spricht auf einer Messe drei Leute vom Wettbewerb an – das alles läuft heutzutage irgendwie unter „Direktansprache“, obwohl es von der ursprünglichen umfassenden Suchmethodik meilenweit entfernt ist.
„Machen Sie auch Direktansprache?“ Natürlich werden alle Personalberater und mittlerweile auch HR-Verantwortlichen in Unternehmen diese Frage mit Inbrunst bejahen. Besser wäre es zu Fragen: „In welcher Form betreiben Sie Direktansprache?“.
Direktansprache durch Telefonident
Mit dem Begriff „Direktansprache“ kann die ursprüngliche Suchmethode also nicht mehr trennscharf bezeichnet und auch nicht als Dienstleistung in deren besonderen Vorzügen angeboten werden. Ähnlich sieht es im praktischen Gebrauch auch mit den Begriffen „Direct Search“ und „Headhunting“ aus. Um Besonderheiten der ursprünglichen Methode klar zu bezeichnen, benötigt man also einen Zusatz. Beim „Active Sourcing“ über Datenbanken, Online-Plattformen und Social Media kennt der Recruiter vor der Ansprache die potenziellen Kandidaten namentlich und/oder es existieren Informationen über persönliche und berufliche Daten sowie ein Kommunikationskanal zu den Zielpersonen über die jeweilige Internet-Plattform. Bei der Direktansprache im klassischen Sinne ist dies nicht der Fall. Zielpersonen sowie deren Namen, Funktion und berufsspezifische Daten werden per Telefonaktion ermittelt. Man kann also auch Personen aktiv angehen, die aus welchen Gründen auch immer im Internet gar nicht zu finden sind oder auf Anfragen über die Plattformen nicht reagieren. Ansprache und Abwerbeversuch finden wiederum per Telefon und ggf. am Arbeitsplatz statt. Wenn man keinen neuen Begriff kreieren will, sollte man also den Zusatz „Direktansprache mit Telefonident“ verwenden, um die besondere Eigenheit dieser Methode eindeutig zu beschreiben.
Direktansprache mit Telefonident ist die „Königsdisziplin der Personalsuche“ und wird von seriösen Anbietern in folgendem Prozessablauf betrieben:
- Vorbereitungs- und Konzeptphase:
Ermittlung und Absprache geeigneter Zielfirmen und weitere konzeptionelle Vorbereitungen für den inhaltlichen, räumlichen und zeitlichen Projektablauf. - Ident-Phase:
Systematisch, breit angelegte Identifizierung potenzieller Kandidaten durch telefonischen Research; d.h. „Hineintelefonieren“ in die Zielfirmen. - Ansprache am Arbeitsplatz:
Telefonische Ansprache der identifizieten Zielpersonen, Klärung der Gesprächsbereitschaft sowie der wechselrelevanten Bedingungen. - Abwerbephase:
Weiterführendes Gespräch, um interessierte potenzielle Kandidaten in den Bewerbungsprozess einzusteuern, aber auch um nicht geeignete auszuschließen. Möglichst erst hier sollte das beauftragende Unternehmen genannt werden.
Je nach Projekt kann man überschlagsmäßig sagen, dass bei 100 identifizierten und angesprochenen Zielpersonen ca. 10 ermittelt werden, die weiterbearbeitet werden können. In der Regel, werden hieraus zwei bis drei wirklich interessierte und geeignete Kandidaten generiert, die dann ins Bewerbungsverfahren gehen. Dies hängt entscheidend von der Attraktivität der angebotenen Stelle, von der Kompetenz der Researcher und der Qualität der Ansprachen und Abwerbegespräche ab.
Jeder wird leicht einsehen, dass dieser Suchvorgang, der teilweise in einem rechtlichen „Graubereich“ stattfindet, sehr aufwendig ist und nur von Profis mit entsprechender Erfahrung und kommunikativem Geschick durchgeführt werden kann. Umfangreiche Kapazitäten auch jenseits der normalen Arbeitszeiten werden benötigt, denn es sind viele Versuche nötig, um einen Zielperson ungestört „an die Strippe“ zu bekommen und die Telefonate im FollowUp finden oftmals am Abend statt. Unternehmen rate ich dringend davon ab, die Durchführung solcher Projekte selbst zu bewerkstelligen zu wollen.
©Dr. Romano Grohmann
Im Download erhalten Sie den gesamten Beitrag mit der Checkliste „Welche Suchmethode eignet sich für welches Besetzungsproblem, Vor- und Nachteile“. Viele Spaß beim Lesen.
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